Ein völlig themenfremder Experte als Ideengeber für Medienunternehmen
In einem Experteninterview zum Thema Verkehrswende und neuartige Mobilitätskonzepte las ich neulich – neben vielen anderen klugen Äußerungen des befragten Experten – einen besonders klugen Satz zur Zukunft des Autos: Erst, wenn wir verstünden, warum wir als Gesellschaft überhaupt so abhängig vom Automobil geworden seien, könnten wir neue Wege beschreiten, Alternativen sinnvoll planen und zielgerichtet tätig werden.
Dem stimme ich, wie die meisten Leser auch, zu. Für mich folgt daraus, dass nicht die Kenntnis irgendeiner Vergangenheit oder Gegenwart, sondern das Verständnis für das Zustandekommen von Vergangenheit und Gegenwart für eine positive und konstruktive Gestaltung der Zukunft entscheidend sind. Überraschend ist dabei die größere Perspektive: Die ausgeprägte Zustimmung zu der Erkenntnis, dass das Verständnis von bestimmten Umständen essenziell für deren weitere Entwicklung und Veränderung ist, steht in einem nahezu umgekehrten Verhältnis zu dessen Folgen. Anders formuliert: Wir alle stimmen dem weitgehend zu, aber wir handeln nicht danach.
Warum stimmen wir etwas zu und ignorieren es dann?
Warum ist das allerdings so? Darauf gibt es mehrere Antworten. Davon wiederum sind einige einleuchtend, andere weniger; einigen Antworten werden Sie aus vollster Überzeugung zustimmen, anderen aus tiefster Abneigung widersprechen. Eine erweiterte Zusammenstellung dazu haben wir hier zusammengetragen. Mindestens zwei Dinge sind aber dennoch wesentlich: Zum einen stellt sich die Frage wie wir Entscheidungen treffen oder eben nicht treffen. Das Stichwort lautet hier Entscheidungsparalyse (hier ein eigener Blogbeitrag dazu). Die schiere Vielzahl von möglichen Entscheidungen hält den Menschen davon ab, überhaupt eine Entscheidung zu treffen. Zum anderen ist die Frage, wie wir – wenn wir eine Entscheidung treffen, ob gezwungen oder freiwillig – möglichst richtig, sinnvoll und zielführend agieren können?
Was hat das mit dem Thema dieser Kolumne, nämlich Problemen von Medienunternehmen und passenden Lösungsstrategien von Consultants zu tun? Das möchte ich Ihnen im Folgenden kurz darlegen und vor allem die erwartbare Frage beantworten, ob und inwiefern sich eine Beratung als Dienstleistung für alle Unternehmen, unabhängig von Größenverhältnissen, realisieren lässt.
In der Buch- und Medienbranche scheint die Konsultation eines Beraters für viele unsinnig
Warum sollten also kleine und mittlere Unternehmen überhaupt externe Beratungsleistungen in Anspruch nehmen? Schließlich verfügen diese KMU ebenso wie große Player über das nötige Know-How, langjährige Erfahrung und verlässliche Men-Power; zudem können die Entscheider das Unternehmen als Ganzes überblicken, Auswirkungen von Entscheidungen antizipieren. Außerdem können sie in direkten Kontakt mit den relevanten Akteuren – Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern – treten. In der Buch- und Medienbranche scheint die Konsultation eines Beraters noch unsinniger, sind doch die Herausforderungen für Produktion sowie Distribution von Medien derart komplex, dass sie nur von branchengeschulten Wissensarbeitern gemeistert werden können. Deren Leistungen sind für das Tagesgeschäft essenziell, auch für darüber Hinausgehendes unverzichtbar.
Diese Perspektive auf das eigene Unternehmen ist einerseits weit verbreitet, andererseits aber sehr fehleranfällig: Sie geht auf der einen Seite von einer schiefen Prämisse aus. Auf der anderen Seite verrät sie eine verschobene Erwartungshaltung. Die Prämisse bedeutet nämlich schlichtweg, dass der eventuell konsultierte Berater die Arbeit des Mitarbeiters besser erledigen sollte als der Mitarbeiter selbst. So eine Bedingung halten zwar einige Entscheidungsträger für legitim, sie ist aber zutiefst irreführend.
Wie kann ich die Eignung eines Consultants prüfen?
Diese Grundbedingung zielt nämlich nur in den seltensten Fällen darauf ab, legitimerweise die Eignung des Consultants prüfen zu wollen. Vielmehr ist sie ein Argument, das die anstrengende Diskussion über eine notwendige Außenmeinung und -expertise – die vermutlich in weiterführende Strukturänderungen münden wird – im Keim ersticken soll. Mit so einer Herangehensweise erweist man allerdings jedem Unternehmen auch bei besten Absichten einen Bärendienst.
Eine häufig formulierte Erwartungshaltung ist ergänzend, dass der externe Berater alle internen Vorgänge kennen müsse, bevor er deren Sinnhaftigkeit überhaupt zur Debatte stellen dürfe. Das ist mindestens diskutabel. Warum sollte ein extern Bestellter sich im Detail in alle Prozesse einarbeiten? Vor allem, wenn diese Prozesse doch allesamt im Unternehmen durch die Mitarbeiter (mehr oder weniger erfolgreich) ausgeführt werden? Es gibt keine Notwendigkeit für ihn, detailliert herauszuarbeiten, wo Prozesse gut sind – denn er erbringt keine Gefälligkeitsdienstleistung. Ein externer Berater wird benötigt, um vorurteilsfrei und losgelöst von hausinternen Routinen zu ermitteln, wo etablierte Prozesse eben nicht gut, d.h. verbesserungswürdig und -fähig, sind. Seine Leistung besteht in der Beleuchtung von Problemen, nicht in deren Vernebelung.
Ein engagierter Berater ist immer auch ein Sparringspartner: mit allen Folgen
Der Unternehmensberater beleuchtet Probleme dabei stets in einer Art und Weise, die für Firmenangehörige nie angenehm sein kann. Entweder muss er undankbarer Weise die problematischen Folgen von Entscheidungen derjenigen ans Licht bringen, die ihn überhaupt erst beauftragt haben. Oder er bekommt dazu gar nicht erst die Gelegenheit: Insbesondere nicht von denjenigen, die dies am dringendsten brauchen würden, weil sie problematische Entscheidungen getroffen haben und sich heute mit deren Folgen herumschlagen müssen. So oder so ist es herausfordernd für ein Unternehmen und seine Mitarbeiter. Sich externe Hilfe zu holen zeugt dementsprechend nicht von Schwäche, sondern vor allem von Verantwortungsbewusstsein, Größe und Reife – denn auch der beste Kapitän sollte irgendwann einsehen, dass er nicht zwingend auch der beste Bootsbauer ist.
Doch zurück zur Ausgangsfrage. Warum sollte 1. überhaupt eine externe Beratungsdienstleistung für Unternehmen in Anspruch genommen werden? Und 2. warum sich das – entgegen der allgemeinen Intuition – vor allem für KMU der Buch- und Medienbranche lohnt? Die Antworten auf diese Fragen sind zuerst einmal frustrierend, zu allem Überfluss auch noch unbequem. Ihre Essenz ist folgende: In keinem Fall schadet eine externe Beratung einer Firma, in jedem Fall haben aber gerade die KMU der Buch- und Medienbranche eine Außenperspektive nötiger als andere Firmen.
Was sind die Gründe für diese Thesen?
Sie interessieren sich zurecht für die Gründe dieser steilen Thesen – im Laufe der nächsten Kolumnenbeiträge gehe ich darauf detaillierter ein. An dieser Stelle dennoch drei bedenkenswerte Befunde:
- Kein Mitglied einer Organisation kann seine Perspektive auf die eigene Organisation externalisieren, der Blick bleibt bei aller Anstrengung stets ein nach innen gerichteter Blick.
- Eine vorurteilsfreie und interessenlose interne Perspektivierung ist ausgeschlossen: Alle Handlungsträger verfolgen bewusst und/oder unbewusst eigene Ziele, die den Unternehmenszielen häufig sogar entgegenstehen.
- KMU der Buchbranche sind momentan weitaus stärker als andere Marktteilnehmer Getriebene des Marktgeschehens, sie sind aus einer Defensivhaltung heraus zum Reagieren statt Agieren gezwungen.
Notwendiger Gestaltungsspielraum muss aktiv erkämpft werden – dies ist mit professioneller, seriöser Beratung erheblich einfacher und zielführender möglich. Medienmärkte und Teile der Medienunternehmen haben in den nächsten Jahren noch die Chance, entscheidende Weichen zu stellen. Die Liste derer, die wenig bis nichts getan haben, die versucht haben, einen akuten Mangel zu verwalten, weil sie diesen Mangel lediglich als temporäre Durststrecke interpretiert haben, ist lang. Die Ergebnisse sind bekannt.
Es geht um Lösungen, nicht um Probleme
Es geht hier keinesfalls darum, Probleme zu finden, wo keine sind sondern um Lösungen. Zudem geht es nicht darum, aktuelle Entwicklungen in prognostizierte Untergangsszenarien zu pressen sondern um Planung. Worum es in jedem Falle geht ist die Schaffung eines Bewusstseins für die sich radikal ändernden Rahmenbedingungen. Diese Veränderungen nicht nur irgendwie abzuwarten sondern bestmöglich zu nutzen sollte ein selbstverständliches Ziel sein. Dafür braucht es Taktik und Strategie.
Die Haltung und Handlung einiger Verantwortlicher deutet allerdings auf andere Ziele hin. Fest steht aber eines. Es muss etwas getan werden, denn was heute noch (leidlich) funktioniert, funktioniert morgen mit Sicherheit nicht mehr. Ebenso steht aber auch fest. Jedes Unternehmen, insbesondere KMU der Buch- und Medienbranche, verfügen über großes Potenzial und ausgeprägte Möglichkeiten zur Anpassung an dynamische Marktumfelder.
Keine Frage: Die Kosten und Konditionen dafür sind Bauch und Beine des rosa Elefanten im Raum. Das darf aber keine Ausrede, sondern muss vielmehr Anstoß und Ansporn sein möglichst kluge sowie zukunftsorientierte Investitionen zu tätigen. Das ist die Pflicht eines verantwortungsbewussten Entscheiders.
Dieser Beitrag erschien in leicht abgeänderter Form auch im BuchMarkt Magazin Ausgabe 2/2020.
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