Buchmarkt und Fortbildung. Gutes Image, schlechte Wirkung
Der Nutzen von Fortbildungen ist unbestritten. In zahlreichen Gesprächen wird immer wieder betont, wie wichtig Fortbildung und wie gerne man bereit sei, die eigenen Mitarbeiter und sich selbst an entsprechenden Angeboten teilhaben zu lassen. Schließlich käme die Fortbildung des Einzelnen letztlich allen zugute. Aber seien wir ehrlich. Meiner Beobachtung nach sind Äußerungen wie diese in 90% der Fälle lediglich Lippenbekenntnisse. Ob und inwiefern meine Beobachtung nun richtig ist, sei dahingestellt – darum soll es nicht gehen.
Worum es gehen soll, ist das fundamentale Missverständnis, dass den präferierten Inhalten von Fortbildungsangeboten zugrunde liegt. Denn: Wenn von Fortbildung geredet wird, hat diese – stillschweigend – verschiedene Kriterien zu erfüllen: Sie muss (mindestens) bezahlbar, praxisrelevant und branchen- sowie betriebsbezogen sein. Auf den ersten Blick leuchtet es ein, diese Anforderungen an eine Fortbildung zu stellen, egal, ob diese nun von Mitarbeitern oder vom Unternehmer selbst wahrgenommen wird.
Ein neues Verständnis von Fortbildung ist wichtig
Trotzdem möchte ich an dieser Stelle eine Lanze für ein gänzlich anderes Verständnis von Fortbildung brechen. Warum aber, wenn doch die Fortbildungsinhalte nun einmal genau so sind? Weil insbesondere solche Fortbildungsinhalte, die sich durch Praxisrelevanz und Branchen- sowie Betriebsbezug auszeichnen, häufig den Blick auf die eigentlichen Ursachen von unternehmerischen Problemen verstellen. Damit ist nicht gemeint, dass diese Inhalte nutzlos wären, natürlich nicht. Sie sind im Einzelfall durchaus hilfreich. Aber solcherlei Fortbildung ist auch dazu prädestiniert, den Blick eben nicht über direkten Unternehmenshorizont hinaus zu erweitern. Vielmehr wird damit der Unternehmenshorizont als Begrenzung des eigenen Handlungsspielraums weiter verfestigt.
Es gibt solche und solche Fortbildungen…
Fortbildung im engeren Sinne – praxisrelevante, branchen- und betriebsbezogene Inhalte mit dem Ziel direkter Verwertbarkeit – verhindert oftmals das, was sie eigentlich hervorbringen soll: Ein lösungsorientiertes Denken außerhalb etablierter Muster. Zudem bringt diese Art der Fortbildung einen weiteren großen Nachteil mit sich: Sie gibt vor, das eigentliche Problem, das sie lösen soll, bereits zu kennen. Aber – auch das ist „empirische Evidenz“ im Beraterwesen – das benannte Problem ist fast niemals das tatsächliche, das ursächliche Problem. Es ist zumeist nur ein Symptom eines weitaus tieferliegenden Missstands. In aller Regel wird bei solchen Fortbildungen nämlich gezeigt, wie etwas „richtig geht“, aber es wird kaum je gefragt, warum bisher etwas „falsch läuft“.
Sich selbst aktiv mit der Frage, warum (nicht „was“!) etwas Bestimmtes bisher „falsch läuft“ auseinanderzusetzen ist sehr viel lohnenswerter als zu verlangen: „Fortbildung, zeige mir, wie es richtig geht!“. Etwas richtig, statt falsch machen zu wollen ist allerehrenwert. Aber nicht erfahren zu wollen, warum etwas falsch gemacht wird, ist eine Sonderform destruktiver Bequemlichkeit.
Es darf bei Fortbildung nicht immer nur um das Ökonomische gehen!
Hinzu kommt die Beobachtung, dass weite Teile des Fortbildungsangebots selbst auf dessen ökonomische Verwertbarkeit hin konzipiert sind. Diesen Angeboten liegt nicht die primäre Frage zugrunde, welche Inhalte für die potenziellen Nutzer (oder besser: „Kunden“) wichtig und sinnvoll sind, sondern welche Inhalte sich am ehesten an diese Nutzer („Kunden“) verkaufen lassen.
Das Ergebnis dieser beiden Probleme – Passivität in der Nutzung von Fortbildungsangeboten und nachfragezentrierte Fortbildungskonzeption – ist Folgendes: Das Unternehmen bleibt letztlich auf der Strecke, weil weder die wichtigsten Fragen gestellt werden noch die darauf richtigen Antworten auf diese Fragen gegeben werden können. Da nun aber die Qualität der Fragen, die wir uns stellen maßgeblich die Qualität unseres Lebens bestimmt, ist das fatal.
Ein Alternativvorschlag zur Fortbildung im Buchmarkt
Was ist allerdings die Alternative dazu? Es gibt mehrere, aber an dieser Stelle möchte ich auf eine besonders aufmerksam machen. Sie stellt keinen Fortschritt als solchen dar, sondern vielmehr eine naheliegende Rückbesinnung auf den Kern der Sache: Bildung als Grundlage von Entwicklung – in diesem Fall Unternehmerbildung als Grundlage von Unternehmensentwicklung. Ich möchte kurz erläutern, was Unternehmerbildung ist und welchen Zweck sie – im Gegensatz zu Fortbildung im engeren Sinne – erfüllt.
Was ist der Zweck eines Unternehmens? Was ist die Aufgabe eines Unternehmers? Welche Ziele verfolgt der Unternehmer mit seinem Tun?
Wo Fortbildung bewusst konkret ist, bleibt Unternehmerbildung bewusst abstrakt. Wo Fortbildung bewusst direkt ist, geht die Unternehmerbildung bewusst Umwege. Wo Fortbildung zuerst dem Unternehmen dient, dient Unternehmerbildung zuvorderst dem Unternehmer. Unternehmerbildung widmet sich dem Menschen hinter der Organisation.
Wie sieht das aus? Wo Fortbildung bereits Lösungen präsentiert, beginnt Unternehmerbildung mit basalen, aber nicht banalen Fragen. Dies sind Fragen, die sich jeder Unternehmer stellen sollte, es aber kaum jemals tut – eben, weil die Fragen schwerwiegend und die Antworten sowie deren Folgen sehr weitreichend sind. Was ist der Zweck eines Unternehmens? Was ist die Aufgabe eines Unternehmers? Welche Ziele verfolgt der Unternehmer mit seinem Tun?
Immer nur das Naheliegende zu tun heißt fast immer, das Falsche zu tun
Die Antworten auf solcherlei Fragen sind weder einfach noch naheliegend. Sie sind komplex und vielschichtig. Ihre Folgen für das eigene Tun sind kolossal. Wer übrigens glaubt, diese Fragen mit Blick auf „die Gesellschaft“, „den Markt“ oder „den Wohlstand“ monokausal und monothematisch beantworten zu können, könnte Bedarf an entsprechender Unternehmerbildung haben…
Nun wäre die Kenntnis der Antworten auf solche Fragen natürlich keine Unternehmerbildung, genauso wenig wie die Kenntnis der Lebensdaten von Literaten oder auch die Kenntnis ihrer Lebensumstände Bildung wäre. Unternehmerbildung stellt dem Fragenden ein breites, aber auch tiefes Repertoire von Fähigkeiten, Einsichten und Zugängen bereit, um diese Fragen (in seinem persönlich besten Sinne) zu beantworten und darüber hinaus zu sagen, warum er diese Antworten gefunden hat.
Erst die Pflicht und dann die Kür. Nicht andersherum!
Darauf aufbauend kann der Unternehmer ein Unternehmen gestalten und führen, das den Maßstäben, die er sich selbst mittels der Antworten auf solche Fragen gesetzt hat, gerecht werden. Zur Erreichung und Sicherstellung dieser Maßstäbe sind unter Umständen vollkommen andere Handlungen erforderlich als zur Befolgung einer Richtschnur hinsichtlich der Frage „Wie geht es richtig?“ – der häufigsten Ausgangsfrage von Fortbildung im engeren Sinne.
Unternehmerbildung ist deshalb keinesfalls esoterisch! Auch wenn sie erst einmal teuer (vor allem bezogen auf die Ressource „Zeit“), wenig praxisrelevant und kaum direkt verwertbar erscheint. Sie ermöglicht allerdings etwas, wonach die meisten Unternehmer ursprünglich suchten, als sie ihr Unternehmen gründeten oder eines übernahmen. Sie finden über den Zugang der Unternehmerbildung zurück zur eigenen unternehmerischen Autonomie. Unternehmerbildung verlagert den Fokus des Planens und Umsetzens vom schematischen „Wie geht es richtig?“ hin zum individuellen „Wie ist es für mich am besten?“
Es geht dabei nicht um ein Wolkenkuckucksheim, sondern um echten Gewinn
Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, sich ein unternehmerisches Wolkenkuckucksheim zusammenzubasteln, das gegenüber dem „Markt“ keinen „Wohlstand“ erzeugen könnte und gegenüber der „Gesellschaft“ keinen Nutzen hätte. Nein. Es bedeutet, diese Dinge in Einklang zu bringen und sich nicht mehr tagtäglich im vermeintlichen Widerstreit dieser Dinge aufzureiben.
Zuletzt die spannende Frage: Wie erlangt der Unternehmer Unternehmerbildung? Das ist so individuell wie langwierig, so ertragreich wie frustrierend. Es gibt kein Patentrezept und keine Lektüreliste, aber immerhin einige Themenkomplexe, mit denen man sich für den Anfang näher beschäftigen kann, um dauerhaft neue Impulse in sein eigenes Unternehmerleben und Unternehmen zu bringen. Ihnen allen ist gemein: Sie finden diese Inhalte nicht in Fortbildungen, die mit Praxisrelevanz, Problembezug und günstigen Preisen werben. Sie könnten allerdings bei der Eudaimonie und der Unterscheidung zwischen Glück und Lust beginnen. Das ist Anfang – ganz theoretisch.
Schreibe einen Kommentar