„Das geht nicht, weil…“ – oder: Warum die alteingessenene Familie Kann-Nicht meistens in der prestigeträchtigen Willnicht-Straße wohnt

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Der meistgehörte Satz in der Beratung…

Was glauben Sie, welchen Satz höre ich – bezogen auf mein professionelles Dasein als Unternehmer-Berater – am häufigsten? Denken Sie bitte kurz nach.

Es gibt eine Menge möglicher Kandidaten: Vom begrüßenden „Schön, dass Sie da sind“ bis hin zum verabschiedenden „Schön, dass Sie da waren“. Dazwischen gibt es allerlei Nuancen, die der Gestaltung des Beratertages dienen, z.B. die sarkastische Standardaussage „Es wäre schöner, wenn wir uns heute nicht getroffen hätten, dann hätte ich weniger Arbeit.“ Es kommen eine ganze Menge Sätze in Frage, aber nur einer kann der „am häufigsten“ gehörte Satz sein. Es ist – in allen erdenklichen Variationen – der folgende Satz: „Das geht nicht.“

 

 

„Das geht nicht.“ Schnell gesagt und trotzdem meistens falsch

Dieser simple, kurze, starke, regelrecht dominante Satz wird zumeist ergänzt durch direkt anschließende Begründungen á la „Das geht nicht, weil wir dafür keine Zeit/kein Budget/keine Ressourcen haben.“ Dieser Satz ist (für die Sprachwissenschaftler unter den Leser) durchaus als epistemischer perlokutionärer Akt des Sprechers zu betrachten, denn er soll bei mir, dem Hörer, den Glauben auslösen, etwas Bestimmtes ginge nicht. Es sei eben nicht zu machen, weil man nicht über genügend „Zeit“, „Budget“ oder sonstige „Ressourcen“ verfüge. Der Sprecher dieses Satzes versucht also letztlich, seinen festen Glauben an die Richtigkeit des Satzes auf mich zu übertragen. Das ist durchaus nachvollziehbar – Menschen versuchen das in ähnlicher oder abgewandelter Form den ganzen Tag miteinander, füreinander, gegenseitig und teils eigennützig.

Tritt man nun einen Schritt zurück, betrachtet diesen Satz und den dahinterstehenden Glauben an seine Richtigkeit wird eines deutlich: Der Sprecher glaubt nicht daran, hier lediglich seinen eigenen Glauben zu explizieren. Vielmehr ist der Sprecher überzeugt, gesichertes Wissen an mich weiterzugeben.

 

Etwas zu glauben ist nicht das gleiche, wie etwas zu wissen…

Zwischen dem reinen Glauben an etwas und dem Wissen über etwas bestehen allerdings eine Menge Unterschiede. Zunächst einmal der, dass sich Wissen idealerweise überprüfen lässt, wohingegen Glauben sich der Prüfung entziehen kann. Sagt deshalb ein Unternehmer zu mir, bestimmte Dinge gingen nicht – „Das lässt sich nicht verwirklichen!“ – und tut dies außerdem im Duktus der Gewissheit, muss er bereit sein, dass Wissen, dass zu seiner geäußerten Gewissheit geführt hat, überprüfen zu lassen. Dazu sollte er im Zuge der konstruktiven Gestaltung eines Gesprächs bereit sein. Nicht zuletzt ist es meine Aufgabe als Unternehmer-Berater, solcherlei Gewissheiten des Unternehmers kritisch zu beäugen. So weit, so klar.

Wenn man nun ferner davon ausgeht, dass sich 1. explizierte Gewissheiten aus Wissen speisen und 2. zu Gewissheiten verdichtetes Wissen aus Informationen generiert wird, dann muss bei der Überprüfung eines wie auch immer gearteten Wissens die Prüfung der dahinterliegenden Informationen stattfinden. Und hier wird es spannend!

 

Warum sich aus nicht vorhandenen Informationen vermeintlich Wissen gewinnen lässt…

An dieser Stelle kommt eine hochspannende Dynamik zum Tragen. Erinnern Sie sich kurz an die letzte Situation, als Sie voller Selbstsicherheit, Überzeugung und Inbrunst sagten, etwas ganz Bestimmtes ginge nicht. Das sollte Ihnen als Unternehmer nicht schwer fallen, denn es ist – wie bereits gesagt wurde – ein gern genutzter Unternehmersatz mit bestimmter Tonalität und Intention. Wann war das also?

Vergegenwärtigen Sie sich nun bitte außerdem, warum „Sie voller Selbstsicherheit, Überzeugung und Inbrunst sagten“, diese spezielle Sache ginge nicht. Über welche Gewissheiten, welches Wissen und vor allem über welche konkreten, entscheidungsrelevanten Informationen verfügten Sie zum Zeitpunkt der Äußerung?

Gehen Sie nun einen letzten Schritt zurück und beantworten Sie offen folgende Frage: Haben Sie wirklich über die konkreten, entscheidungsrelevanten Informationen verfügt, die es Ihnen erlaubten, daraus Wissen zu extrahieren und in einer vollkommenen Gewissheit zu verdichten? Nehmen Sie sich zur Vergegenwärtigung eine Minute Zeit – oder wenigstens zehn Sekunden.

 

Lassen Sie sich Zeit, auch wenn es schwerfällt!

Dabei kann bei Lichte besehen nur herauskommen, dass Sie schlichtweg nicht über die konkreten, entscheidungsrelevanten Informationen verfügt haben. Für die Bewertung, ob etwas durchführbar ist oder nicht sind schließlich eine ganze Menge Informationen nötig, die zudem über eine bestimmte Qualität verfügen müssen. Worauf Sie Ihre Aussage gründeten, eine spezielle Sache wäre nicht möglich, war kein Wissen über diese Sache sondern lediglich der Glaube an diese spezielle Sache. Das klingt ungewohnt, vielleicht empfinden Sie es sogar als anmaßend, aber das spielt keine Rolle. Sie befinden sich damit in guter Gesellschaft. Was ist aber passiert, wie und inwiefern wurde an dieser Stelle eine gesicherte Gewissheit mit einem ungesicherten Glauben verwechselt. Werfen Sie dazu einen Blick auf die Illustration.

 

 

Worauf Sie Ihre Aussage gründeten, eine spezielle Sache wäre nicht möglich, war kein Wissen über diese Sache sondern lediglich der Glaube an diese spezielle Sache.

 

 

Es gibt einen Unterschied zwischen Ungewissheit und Unwissen

Idealerweise nutzen Sie Informationen zur Gewinnung von Wissen und dieses Wissen wiederum nutzen Sie zur Formulierung bestimmter Gewissheiten. An diesen Gewissheiten wiederum richten Sie Ihr Handeln aus. Die meisten von uns glauben – im Zuge ihrer Existenz als rationales Wesen – an die Omnipräsenz einer solchen Hierarchie in ihrem „Denksystem“. Sie können/wollen kaum glauben, dass das vermeintliche „Denken“ aber gerade andersherum funktioniert. (Sie merken, wir kommen immer wieder darauf zurück, dass unser System 1 ganz eindeutig dominant gegenüber unserem System 2 ist…)

Am Beginn des „Denkens“ steht lediglich ein bestimmter Glaube – verkleidet als Gewissheit, dass etwas nicht geht –, der sich wiederum auf implizite und explizite Glaubenssätze stützt. Zur Konstruktion dieser Glaubenssätze wiederum wurden zumeist vollkommen selektiv Informationen herangezogen. Damit sind Erinnerungen (oder vielmehr deren retrospektive Konstruktionen) gemeint, die die Richtigkeit bestimmter Glaubenssätze rechtfertigen. Aber um welche Glaubenssätze handelt es sich im konkreten Fall? Mindestens drei Stück lassen sich herauskristallisieren:

 

  1. Auch für komplexe Probleme gibt es einfache Lösungen.
  2. Ich benötige nur wenige, aber dafür die essenziellen Informationen zur Beurteilung von komplexen Problemen.
  3. Ich kann beurteilen, welche Informationen essenziell sind.

 

 

Jeder Glaubenssatz ist okay, aber zusammen sind sie gefährlich

Es geht an dieser Stelle nicht um eine Bewertung der einzelnen Glaubenssätze, sondern um deren Gesamtheit. Für sich genommen ist jeder dieser Glaubenssätze brauchbar; erst in der gegebenen Kombination verhindern sie eine vernünftige Beurteilung von Machbarkeiten. Anders formuliert: Wenn diese drei Glaubenssätze zusammen auftauchen, dann ist es sehr einfach sich auf den Standpunkt „Das geht nicht!“ zurückzuziehen. Bloß weil es aber sehr einfach ist, diesen Standpunkt einzunehmen, macht es diesen Standpunkt noch lange nicht zur einzig richtigen Perspektive auf einen bestimmten Sachverhalt. Nochmals modifiziert: Nur weil es einfach ist zu behaupten, etwas ginge nicht, heißt das nicht, das es nicht geht.

Kommen wir aber auf die Überschrift dieses Beitrags zurück. Wir möchten nämlich an dieser Stelle den Bogen schließen zur Differenzierung zwischen Wissen und Glauben, Möglichem und Unmöglichem und vor allem zwischen dem Können und dem Wollen. Denn viele Leser fragen sich an dieser Stelle vielleicht, was das eine mit dem anderen zu tun hat. Die Verbindung ist folgende: Die meisten Unternehmer wollen – trotz der Gefahr – an die universale Gültigkeit dieser drei Sätze glauben. Sie können ohne externen Anstoß nicht glauben, dass jeder Glaubenssatz für sich sinnvoll ist, alle drei Glaubenssätze in Kombination aber nicht mehr sinnvoll sind.

 

Warum wohnt denn die Familie Kann-Nicht in der Willnicht-Straße? Weil es da so schön ist!

Und bequem. Man kennt sich und die Nachbarn einfach gut.

Da sie nun aber daran glauben wollen, dass diese Sätze für sich und in Kombination zu sinnvollen Beurteilungen von bestimmten Umständen führen, verpflichten sich dieselben Personen selbst dazu, Informationen zu bestimmten Umständen rein selektiv wahrzunehmen, fehlerhafte Glaubenssätze zu entwickeln/bestätigen und damit letztlich einen falschen Glauben statt gesicherten Wissens zur Grundlage ihrer Beurteilung desselben Sachverhalts zu machen. Das führt letztlich dazu, dass gesagt wird „Das geht nicht!“ statt zu fragen „Wie können wir das verwirklichen?“.

Auf den Punkt gebracht und auf die Frage bezogen, warum Familie Kann-Nicht meistens in der Willnicht-Straße wohnt: Niemand will seine Glaubenssätze kritisch hinterfragen. Keiner kann das selbständig tun. Deshalb werden 99% aller Vorschläge, die eine Modifikation einzelner Glaubenssätze – oder ganzer zusammenhängender Sets von Glaubenssätzen – erfordern, ohne Prüfung (sondern im Vertrauen auf die Richtigkeit der eigenen Glaubenssätze) als nicht umsetzbar abgelehnt. Bei der Ablehnung solcher Vorschläge wird aber nur im verbleibenden letzten Prozent tatsächlich der eingebrachte Vorschlag verhandelt. In den anderen 99% werden lediglich die entgegenstehenden Glaubenssätze zum Ausdruck gebracht.

Das ist ein Spiel mit dem Feuer. Das kann sich letztlich kein Unternehmer über einen längeren Zeitraum leisten. Irgendwann geht es schief und der häufigste Satz „Das geht nicht!“ wird durch den zweithäufigsten Satz abgelöst. Raten Sie mal welcher das ist…

„Hätten wir das doch damals anders gemacht…“

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